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Eine reformierte Gemeinde – damals und heute.

Die reformierte Kirche geht - wie die lutherische - auf die Reformation im 16. Jahrhundert zurück. Darum: „reformierte“, d.h. durch Gottes Wort „erneuerte“ Kirche. Sie ist nicht das Werk eines einzigen, sondern hat viele „Väter“. Unter ihnen ragen zwei hervor: Ulrich Zwingli (1484-1531), der Reformator Zürichs, und Johannes Calvin (1509-1564), der Reformator Genfs, der dann auch den Protestantismus in Frankreich prägte. Wie Zwingli und Calvin bekennen wir mit allen reformierten Christen in den Welt, daß das Wort Gottes allein Maßstab und Mitte des Gottesdienstes und allen gemeindlichen Lebens sein muß.Pfarrhaus 1899
Am sichtbarsten wird dies wohl am Innenraum der Kirche. Er ist gemäß dem 2. Gebot, das den kultischen Gebrauch von Bildern verbietet, sehr schlicht gehalten. Ist eine Kirche doch nach reformiertem Verständnis allein Versammlungsraum der zum Hören des Wortes Gottes, zum Lobpreis und Gebet und zur Feier des Abendmahles zusammenkommenden Gemeinde. Im Blickpunkt des Raumes ist die Kanzel; vor ihr der Abendmahlstisch, auf dem allein die Heilige Schrift liegt.
So schlicht wie der Raum ist auch die Liturgie. Am Anfang des Gottesdienstes steht nach gut reformierter Art der Psalmengesang und sein Mittelpunkt ist die Predigt des Wortes Gottes.Taufe und Abendmahl gelten als bestätigende Zeichen der zugesagten Gnade Gottes. Zu den charakteristischen Zeichen reformierten Bekenntnisses gehört es, daß Glaube, kirchliche Ordnung und persönliches Leben eine unlösliche Einheit bilden. Sie zielt auf alle Lebensbereiche und beinhaltet, daß jedes Gemeindeglied in gleicher Weise Verantwortung für die Gemeinde trägt und gerufen ist, die eigenen Gaben zum Segen aller einzubringen. Oberstes Organ unserer Gemeinde ist deshalb die Gemeindeversammlung. Nur sie kann die geltende Ordnung unserer Gemeinde verändern, in deren Artikel I es heißt:

Der Spieltisch der Orgel. Im Hintergrund der Orgel

  1. Die Französisch-Reformierte Gemeinde zu Offenbach am Main ist gegründet auf die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments und bekennt ihren Glauben, wie er von ihren Vätern in der Confession de foi von 1559 in der Form von 1614 dargelegt ist.

  2. Auf Grund ihrer überkommenen Rechte, wie sie der am 9. Juli 1699 konstituierten Gemeinde von dem Grafen Johann Philipp von Ysenburg und Büdingen in den Privilegien vom 18. Mai 1705 gewährt wurden, verwaltet die Französisch-Reformierte Gemeinde zu Offenbach ihre Angelegenheiten selbständig entsprechend ihrer Ordnung nach den Grundsätzen der Discipline des Eglises reformées de France von 1660.

  3. Als Lehrbuch benutzt die Gemeinde den Heidelberger Katechismus.


Artikel IX der Ordnung schreibt vor, daß die Gemeindeversammlung mindestens einmal jährlich zusammentreten muß, um den Bericht der beiden „Ämter“ entgegenzunehmen, die schriftgemäß in unserer Gemeinde bestehen: das Presbyterium und die Diakonie.
Das Presbyterium hat die geistliche Leitung der Gemeinde und ist verantwortlich für die kirchliche Verwaltung.
Es besteht aus dem von der Gemeindeversammlung gewählten Pfarrer und aus vier von ihr auf sechs Jahre gewählten Ältesten.Der Innenraum der Kirche heute
Neben dem Presbyterium steht die Diakonie, die ebenfalls aus vier Gemeindegliedern gebildet wird. Ihre Aufgabe ist der Dienst an den Kranken, Armen und Alten der Gemeinde und die Mithilfe bei der Feier des Heiligen Abendmahles.
Presbyterium und Diakonie bilden das Konsistorium, das alle wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde berät. In Ehren ausgeschiedene frühere Älteste und Diakone bilden zusammen mit dem Konsistorium das Große Konsistorium. Dieses hat das Vorschlagsrecht bei der Pfarrwahl sowie bei der Wahl der Presbyter und vollzieht die Wahl der Diakonie.
Die Zugehörigkeit zur Gemeinde kann erworben werden:

  1. Durch die in der Gemeinde vollzogene Taufe oder
    Konfirmation.

  2. Durch Aufnahmebeschluß des Presbyteriums.

  3. Nach Offenbach am Main zuziehende Glieder anderer
    reformierter Gemeinden erwerben ohne besonderen
    Antrag die Gemeindegliedschaft.
    In allen sonstigen Fällen entscheidet auf schriftlichen
    Antrag das Presbyterium.


Im Windfang der Kirche hängt das Wappen der Gemeinde. Es stellt das mit den Wellen ringende Schiff der Jünger
auf dem Galiläischen Meer dar und trägt die Umschrift„Domine serva nos perimus. 1699“.
Bei der Auswahl dieses Spruches, den Luther übersetzt hat mit „Herr, hilf uns, wir verderben“ (Matthäus 8, 25), haben die Väter und Mütter der Gemeinde ursprünglich wohl nur ihre leidvollen Erfahrungen als Flüchtlinge und ihre Erkenntnis über den damaligen Zustand der Gemeinde zum Ausdruck bringen wollen. Sie haben aber darüberhinaus eine vorausschauende Gabe bewiesen, denn wir können rückschauend feststellen, daß sie keinen besseren Wahlspruch hätten finden können.

Das Pfarr- und Gemeindehaus, heuteDer Notschrei der Jünger in dem gefährdeten Schiff ist auch immer wieder der Hilferuf der Gemeinde gewesen, die in ihrer Bedrängnis die Hände zu ihrem Herrn aufhob. Im Grunde ist ihr Weg durch die Jahrhunderte gekennzeichnet durch ihre Angefochtenheit und durch die dauernde Gefahr, infolge äußerer Bedrängnis oder eigener Schuld zugrunde zu gehen. Daß das nicht geschehen ist, verdankt sie somit nicht ihrer eigenen Tüchtigkeit, sondern allein der freien Gnade ihres Herrn, der sie bis heute erhalten hat und, so er will, auch weiterhin erhalten kann.


 

 

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